Allgemeine Medizin

Das Auge: Kamerasystem im Körper

Unsere Augen sind das Fenster zur Welt. Mit ihnen erkennen wir das Meer und den Horizont, den Baum, der wächst, den Menschen, der vor uns steht. Das Auge ist ein Wunderwerk, das für jeden die eigene Umwelt erfasst und in Farbe taucht. Dahinter verbirgt sich ein ausgeklügelter Mechanismus, der jedoch auf vielfältige Art und Weise gestört sein kann. Dann geht es darum, den Augenblick wieder zu schärfen.

25.04.2024
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Der Augenblick ist kostbar. Wir kennen das. Viele Situationen im Leben eines Menschen sind besonders, nicht wiederholbar, nicht mit dem Willen herbeizuführen. Wie zum Beispiel das Erlebnis eines Sonnenuntergangs bei einem Glas Wein am Meer. Gut ist es dann, ein Bewusstsein für diesen einen Augenblick zu haben, ihn zu registrieren, sich daran zu erfreuen – weil er einzigartig ist. Der Blick des Auges ist dabei von essenzieller Bedeutung. Denn mit dem Sehorgan nehmen wir bildlich wahr, was passiert. Wir erkennen die Farben, sehen das Eintauchen der Sonne ins Meer, sehen den Wasserspiegel, den Himmel, der sich färbt, den Wein, der im Glas schimmert. Das Auge ist eines unserer fünf Sinnesorgane. Es sorgt dafür, dass wir unsere Umwelt fotografisch erfassen können. Was wäre ein Sonnenuntergang ohne unsere Augen?
Dem Sehvorgang liegt ein komplizierter Mechanismus zugrunde, der dem einer Kamera gleicht. Unser Gehirn kann dadurch in Sekundenschnelle ein Motiv erkennen. Zum Beispiel das Weinglas vor der untergehenden Sonne. Wenn wir es ansehen, stellt die Linse das Bild scharf. Es wird hinten im Auge auf die Netzhaut geworfen, wo es zunächst falschherum abgebildet wird. Von dort leitet der Sehnerv das Bild weiter ans Gehirn, das es blitzschnell herumdreht und die passende Information dazu liefert: Weinglas. Dieser Vorgang dauert keine Sekunde, er funktioniert schneller, als einmal zu blinzeln.
Die Pupille, die in der Mitte des Auges sitzt, funktioniert wie die Linse beim Fotoapparat. Wenn grelles Licht dort einfällt, zieht sie sich zusammen, bei wenig Licht dehnt sie sich aus. Sie passt sich der Umgebung an, sodass unser Auge immer etwas sehen kann. Hinter der Pupille sitzt die Linse, die das Bild für uns scharf stellt. Wenn sie nicht richtig funktioniert, brauchen wir eine Ersatzlinse

die Brille.
Die Zapfen im Auge sorgen dafür, dass wir in Farbe sehen. Sie nehmen die Farbtöne Blau, Rot und Grün wahr. Die Farbinformationen über das angeschaute Motiv leiten die Zapfen an unser Gehirn weiter, das daraus mehrere Farben mischt, sodass unser Weinglas eine goldgelbe Flüssigkeit enthält, das Meer im Hintergrund dunkelblau schimmert, die Schaumkronen weiß hervortreten. Weil die Zapfen viel Licht brauchen, sehen wir im Dunkeln wenig. Befinden wir uns dort, kommen die Stäbchen zum Einsatz, die lediglich hell von dunkel unterscheiden können. Hätte das Auge nur Stäbchen, wäre die Welt schwarz-weiß. Dieser komplexe Mechanismus des Sehens ist bei vielen Menschen gestört. Zum einen können Erkrankungen des Auges oder Fehlsichtigkeiten zugrunde liegen, zum anderen verlieren viele Augen im Lauf eines Lebens an Sehkraft. Zum Glück bietet die moderne Medizin in Kombination mit moderner Technik zahlreiche Möglichkeiten der Behandlung und Regulation.
Zu den häufigsten Augenerkrankungen gehört die Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Die Ursachen der Altersblindheit sind noch nicht umfassend erforscht, erklären die fachkundigen Partner der Kampagne Woche des Sehens auf gleichnamiger Internetseite. Mit verantwortlich für die AMD ist die Regenerationsfähigkeit des Stoffwechsels im Auge. Die Zellen sind nicht mehr in der Lage, Abbauprodukte umfänglich zu entsorgen, sodass diese sich mittig unter der Netzhaut, dem Punkt des schärfsten Sehens (Makula), ablagern. Dadurch wird das Sehen unscharf. Bei der trockenen AMD lässt die Sehschärfe allmählich nach. Treten abnormale Blutgefäße in der Makula auf, aus denen Blut oder Flüssigkeit austritt, handelt es sich um die feuchte AMD. Die Sehschärfe nimmt dabei schnell ab.
Diabetiker haben oft ein Pro-
blem mit der Diabetischen Retinopartie. Sie ist eine Folge des Diabetes mellitus und entwickelt sich langsam. Oft erkennen Betroffene erst im fortgeschrittenen Stadium, dass ihr Sehvermögen nachlässt. Kommt es zu Blutungen durch den Diabetes, verändert sich das Sehen rapide.
Der Graue Start (Katarakt) ist eine Trübung der Augenlinse, die meist im fortgeschrittenen Alter auftritt. Allerdings kann
er angeboren sein, oder durch

Verletzungen beziehungsweise bestimmte Medikamente eintreten. Die Farben verlieren an Leuchtkraft, Konturen verschwimmen. Eine in der Regel wenig risikoreiche Operation schafft Abhilfe.
Der Grüne Star (Glaukom) geht mit Ausfällen am Rand des Gesichtsfeldes einher. Eine Beeinträchtigung des Sehnervs entsteht, Erblindung ist möglich. Die frühzeitige Behandlung mit Tropfen hilft in den meisten Fällen. Unverzüglich behandelt werden sollte auch die Netzhautablösung. Sie kann durch Augenkrankheiten entstehen, aber beispielsweise auch durch Prellungen. Eine Laserbehandlung oder ein chirurgischer Eingriff helfen.
Retinitis Pigmentosa ist schließlich die Bezeichnung für eine Gruppe von erblich bedingten Augenerkrankungen. Die Zellen der Netzhaut sterben ab. Darüber hinaus zählen Kurz- und Weitsichtigkeit sowie die Hornhautverkrümmung (Stabsichtigkeit) zu den oft angeborenen Fehlsichtigkeiten. Hierbei ist der Augapfel zu lang oder zu kurz oder die Form der Hornhautoberfläche gleicht einer Ellipse statt einer Kugel. Manchen Menschen fehlt auch das räumliche Sehen oder sie schielen, wobei eine Gleichgewichtsstörung der äußeren Augenmuskeln vorliegt. Eine Alterssichtigkeit hingegen entwickelt sich häufig mit den Jahren, wenn die Elastizität der Augenlinse nachlässt.
Oft fällt es nicht leicht, Störungen des Sehens richtig einzuordnen. Ab wann muss man zum Arzt und was ist „normal“ und reguliert sich von selbst? Harmlos sind die Flimmershow, der Mückentanz und das Lidzucken. Wenn es vor den Augen flimmert, sind oft Unterzuckerung oder eine Migräne der Grund. Meistens reicht es dann aus, etwas zu essen oder ein Migräne-Medikament zu nehmen. Eine harmlose Alterserscheinung sind in der Regel Flecken oder Schlieren, die sich im Gesichtsfeld bewegen. Man nennt sie Mouches volantes (fliegende Mücken).
Wenn die Lider zucken, sind sie überlastet. Dann helfen Entspannung, Schlaf und befeuchtende Augentropfen. Auch bei Doppelbildern sorgen Schlaf, regelmäßige Pausen und gegebenenfalls eine geeignete Brille für Entlastung.
Wenn jedoch die Buchstaben beim Lesen zu kippen scheinen, oder gerade Linien plötzlich krumm wirken, kann das ein Hinweis für eine Makuladegeneration (AMD) sein. Frühzeitig erkannt, können Augenärzte einer drohenden Sehbehinderung mit Medikamenten entgegensteuern.
Das sogenannte Office-Eye-Syndrom taucht bei acht von zehn Menschen auf, die oft vor dem Bildschirm sitzen. Sie haben das Gefühl, ein Sandkorn oder einen Fremdkörper im Auge zu haben. Das liegt daran, dass vor dem Monitor weniger geblinzelt wird und die Augen trocken werden. Eine für die Computerarbeit angefertigte Bildschirmbrille hilft, außerdem sind hyaluronsäurehaltige Tropfen oder Sprays dienlich.
Bei Rußregen, Lichtblitzen und Augenschmerzen sollten Betroffene sofort zum Arzt gehen. Schwarze Flecken, die sich in die gleiche Richtung bewegen, öfter auftretende Lichtblitze oder ein teilweiser Verlust des Sehvermögens sind eindeutig Notfälle. Es könnte sich um eine beginnende Netzhautablösung handeln. Das gleichzeitige Auftreten von farbigen Ringen, unscharfem Sehen, Übelkeit und Augenschmerzen kann auf einen Glaukomanfall (Grüner Star) hinweisen. Für plötzlich auftretende Doppelbilder gepaart mit starken Kopfschmerzen oder Lähmungen könnte ein Schlaganfall verantwortlich sein, ebenfalls eine Hirnblutung oder eine -throm-
bose. In diesen Fällen bitte umgehend den Arzt aufsuchen.

Tina Fischbach-Nispel